Was wir von gut geführten Hotels lernen können

by Jörg Weisner // Juli 23 // 0 Comments

Um Ihnen einen kleinen Eindruck von den überraschenden Erfahrungen zu vermitteln, die Michael Gerber so fasziniert haben, dass er seit 17 Jahren immer wieder in einem bestimmten Hotel Urlaub macht, gebe ich Ihnen hier eine kurzen Ausschnitt – mit seinen eigenen Worten:

„Ein Streichholz, ein Konfekt, eine Tasse Kaffee und eine Zeitung“

Das erste Mal war reiner Zufall – das heißt, reiner Zufall für mich. Ich war schon sieben Stunden im Auto gesessen. Da ich müde wurde, beschloss ich meine Fahrt nach St. Francisco zu unterbrechen und zu übernachten. Das Hotel lag in einem Redwood- Wäldchen mit Blick auf den Pazifik.

Zu dem Zeitpunkt, als ich die Rezeption betrat, war die Sonne bereits untergegangen und der Wald dunkel. Irgend etwas vermittelte mir sofort das Gefühl, dass ich an einem ganz besonderen Ort war. Das Licht in der Rezeption war gedämpft. Die Redwood-Vertäfelung warf einen rötlichen Schimmer auf die drei dick gepolsterten Sofas, die sich an die drei Wände rund um den Rezeptions-Schalter schmiegten.

More...

Ein langer dunkler Holztisch stand dem Eingang gegenüber, darauf ein riesiger indianischer Flechtkorb, übervoll mit frischen Früchten. Neben dem Korb, eine massive Bronzelampe, deren warmes Licht auf dem Obst schimmerte und so zur festlichen Atmosphäre des Raumes beitrug. Über die ganze Länge des Tisches, an beiden Enden fast bis zum Boden hängend, lag ein kunstvoll bestickter Leinenläufer, dessen exotisch buntes Muster mit den Farben der Früchte, dem Bronze der Lampe und dem satten rötlichen Ocker der Wände wunderbar harmonierte.

Am Ende der großen Empfangshalle brannte, in einem aus Stein gemauerten Kamin ein loderndes Feuer, das den Raum mit dem lebhaften Knistern der Eichenscheite erfüllte.

Selbst, wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte mich der Kontrast zwischen der nächtlichen Kälte aus der ich gekommen war und der Wärme der Flammen vor mir, angezogen. So aber schmolz ich förmlich dahin vor Wohlbehagen.

Am Rezeptionschalter erschien eine Frau in einer frisch gestärkten rot-grün-weiß gestreiften Baumwollbluse und einem ockerfarbenen Rock, eine Anstecknadel mit dem Logo des Hotels an einem ockerfarbenen Band zierte ihre Bluse wie ein Orden. Eine passende Schleife hielt ihr Haar aus dem strahlenden Gesicht. „Willkommen im Venetia“, lächelte sie mir entgegen.

Vom Augenblick der Begrüßung bis zu dem Moment in dem der Hotelboy mich in mein Zimmer führte, vergingen kaum mehr als drei Minuten, obwohl ich nicht gebucht hatte. Ich war überwältigt von der Leichtigkeit, mit der alles geschah. Und erst das Zimmer. Der Gesamteindruck war eine Mischung aus Luxus und Understatement. Zartblaue schwere Wandteppiche, ein übergroßes Himmelbett aus hellem Kiefernholz, mit einem 

weißen gequilteten Bettüberwurf. Echte Bilder, die Szenen der Vogelwelt des pazifischen Raumes darstellten, zierten die rustikale Eleganz der Wände aus naturbelassenem Zedernholz. Ein aus Steinen gemauerter offener Kamin wartete mit Eichenholz-Scheiten gefüllt auf das Anzünden. So, als hätte jemand gewußt, wie sehr ich mich darüber freuen würde, war das Papier fast feierlich unter dem Rost zusammengerollt und ein riesiges Kaminstreichholz war diagonal auf dem Kaminsims bereitgelegt.

Erfreut über diesen glücklichen Zufall kleidete ich mich zum Abendessen um. Die Rezeptionistin hatte gleich bei meiner Ankunft einen Tisch reserviert. Ich ging in die dunkle Nacht hinaus, um das Restaurant zu finden. Ein Wegweiser half mir, den gut beleuchteten Weg durch den sonst dunklen Redwood-Hain zu finden.

Die Nachtluft war still und klar. Weit entfernt konnte ich das rhytmische Rauschen der Pazifikbrandung hören – oder war es meine Phantasie – das spielte kaum eine Rolle.

Eine Aura des Magischen umgab diesen Ort. Das Restaurant stand auf einer Erhebung, die über das Hotel und den Pazifik hinausblickte. Bis zu dem Augenblick als ich eintrat, hatte ich keine Menschenseele getroffen, dennoch war das Restaurant voll. Ich nannte dem Chef des Restaurants meinen Namen und er führte mich sofort zu einem Tisch, obwohl auch noch andere Leute warteten. Offensichtlich hatten Reservierungen in diesem Haus eine vorrangige Bedeutung.

Das Essen war so erfreulich, wie alles, was ich bis dahin erlebt hatte. Die Speisen waren vorzüglich zubereitet und der Service aufmerksam aber unaufdringlich. Ich verweilte noch bei einem Glas Brandy und lauschte dem Spiel des klassischen Gitarristen, der für die Gäste eine Auswahl der Fugen von Bach spielte. Ich unterschrieb schließlich den Scheck und kehrte zum Hotel zurück.

Unterwegs bemerkte ich, dass die Wegbeleuchtung in der zunehmenden Dunkelheit immer heller gestellt worden war. Als ich in mein Zimmer zurück kam, fröstelte mich, wegen der Kälte der Nacht. Ich freute mich auf das offene Feuer und vielleicht einen weiteren Brandy vor dem Schlafen gehen.

Jemand war mir schon zuvorgekommen. Ein munteres Feuer brannte in meinem Kamin, die Überdecke auf dem Bett war zurückgeschlagen worden, die Polster hatte jemand aufgeschüttelt und einen Konfekt darauf gelegt. Auf einem der Nachttische stand ein Glas Brandy und daneben lag eine Karte. Ich hob sie auf und las: „Willkommen zu Ihrem ersten Aufenthalt im Hotel Venetia. Ich hoffe es gefällt Ihnen bei uns. Wenn Sie Wünsche haben, zögern Sie nicht, sie uns mitzuteilen. Wir stehen Ihnen Tag und Nacht zur Verfügung. Kathy“

Als ich an diesem Abend einschlief, hatte ich das Gefühl, dass man sich wirklich um mich kümmerte. Als ich am nächsten Morgen erwachte, hörte ich ein seltsames blubberndes Geräusch aus dem Badezimmer. Ich stand neugierig auf. Eine Kanne Kaffee, durch eine Zeitschaltuhr angestellt, siedete fröhlich auf einem Ablagetisch dahin. An die Kanne war wieder eine Karte gelehnt auf der stand. „Genießen Sie Ihre spezielle Kaffeesorte, Kathy“

Und es war meine Kaffeesorte – wie in aller Welt konnten sie das wissen. Dann erinnnerte ich mich. Am Vorabend hatte man mich im Restaurant gefragt, welche Kaffeesorte ich am liebten hätte, und da war sie jetzt. Gerade als ich begriff, wie sie das alles gemacht hatten, klopfte es höflich an der Tür.

Ich öffnete. Niemand. Aber auf der Türmatte lag eine Zeitung – meine Zeitung, die New York Times. Wie um Himmels willen hatten sie das wieder erraten. Dann erinnerte ich mich: An der Rezeption war ich am Vorabend nach meiner Lieblings-Zeitung gefragt worden. Daran hatte ich nicht mehr gedacht, bis jetzt, und da war sie.

Genau dasselbe Szenario wiederholt sich seit dem jedes Mal wenn ich wiederkomme. Nur wurde ich nach dem ersten Mal nie wieder nach meinen Vorlieben gefragt. Ich war zu einem Bestandteil des Management-Systems des Hotels geworden.“

Ich glaube, wir alle können aus diesen Worten heraushören, wie beeindruckt Michael Gerber war. Wohl jeder von uns, wäre genauso beeindruckt gewesen. Dabei sind es nicht die Dinge, wie das Konfekt, die Zeitung oder die persönliche Kaffeesorte, sondern das Gefühl, dass sie ausgelöst haben. Das Gefühl, dass jemand in diesem Hotel ganz genau zugehört hat und sich darum kümmert, dass der Gast sich besonders wohl fühlt.

Übertragen wir diese Geschichte auf unsere Kunden:

  • ° In welchen Bereichen hören wir ihnen genauso intensiv zu?

  • ° Wo können wir sie ebenso nachhaltig überraschen?

  • ° Wie können wir dafür sorgen, dass sie sich vollkommen betreut fühlen?

    Unsere Antworten darauf werden unsere Weiterempfehlungs-Quote maßgeblich beeinflussen.

>